„Sicherung von landwirtschaftlichen Strukturen und kommunaler Selbständigkeit“

„Sicherung von landwirtschaftlichen Strukturen und kommunaler Selbständigkeit“
„Sicherung von landwirtschaftlichen Strukturen und kommunaler Selbständigkeit“

Beitragsbild: R.kaelcke, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der Gemeinde Ankum und der Klima-Frieden Osnabrück und Osnabrücker Land e.V. am 31. August 2021.

Im Ankumer See+ Sporthotel ging es besonders um die Fragestellung: Wie lassen für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume zusätzliche Einkommensquellen zur Sicherung der Höfe und zu Entwicklung kommunaler Einrichtungen erschließen. Gibt es neue Technologien die bäuerlichen Traditionen und Umwelt- und Klimaschutz zusammenbringen? Welche Rolle kommt dabei den erneuerbaren Energien zu und wie lassen sich bereits vorhandene Anlagen noch effektiver gestalten.

Energiewende wird ohne Wärmewende nicht gelingen

Den Reigen der Vorträge startete Matthias Wieschemeyer, Geschäftsführer bei Mull und Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Osnabrück. Er macht gleich zu Beginn seines Vortrages deutlich, dass die Energiewende ohne eine gleichzeitige Wärmewende nicht gelingen werde.  Die Zahlen, die er präsentierte, machten eindrücklich deutlich, wie weit die angedachte und gewünschte Entwicklung im Klimaschutz von den messbaren technischen Realitäten entfernt ist. Ohne den massiven Einsatz von Wärmepumpen würden die Klimaziele sicherlich nicht erreicht werden.

Wieschemeyer wies auch darauf hin, dass die erneuerbaren Energieträger natürlich überaus wichtig seien, aber leider auch noch Schwächen wie mangelnde Grundlastfähigkeit aufwiesen. Damit verwies es auf den Umstand, dass diese nicht auf Abruf verfügbar seien, sondern von tageszeitlichen Abläufen (Solar) oder von Wetterbedingungen (Wind) abhängig seien. Deshalb sei es vernünftig das Thema Erdwärme mehr in die Betrachtung miteinzubeziehen. Im Weiteren veranschaulichte Wieschemeyer verschiedene Modelle zur Erdwärmenutzung.

Dabei stellte er auch Möglichkeiten vor die Gewinnung von Wärme aus dem Boden mit klassischer Landwirtschaft zu verbinden. Siehe Graphik:

Neue Chancen für die landwirtschaftliche Energieernte

Die tageszeitlichen Schwächen der Solarenergie räumte Sascha Krause-Tünker, Geschäftsführer der Next2Sun GmbH in seinem nachfolgenden Vortrag zwar ein, präsentierte aber auch ein völlig neuartiges Photovoltaik Anlagenkonzept, dass seine Firma entwickelt hat. Für dieses sogenannte bifaciale vertikale Agri-PV-Konzept ist Next2Sun 2020 mit dem Deutschen Solarpreis 2020 ausgezeichnet worden. Die Umwelttechniker haben sich ein Gestellsystem für vertikale bifaciale PV-Anlagen auf Agrarflächen einfallen lassen und dieses bis zur Marktreife entwickelt und patentieren lassen. Diese Anlagen seien in Ost/West-Richtung ausgerichtet und erzeugten den ganzen Tag über Energie. Die Anlagen stehen auf variablen Abstand auf einem Feld, so dass zwischen den Reihen weiterhin Landwirtschaft möglich ist.

Durch diese besondere Anlagentechnik sind gleichzeitig Landwirtschaft und Energieerzeugung möglich. Anders als die herkömmliche Technik benötige die neue Technik nur 1 Prozent der Bodenflächen. Der Flächenverbrauch ist so gering, weil die bifacialer Module von Next2Sun komplett senkrecht stehen – und dann nur noch ein Modul für beide Richtungen benötigt wird und nicht mehr zwei. Die hocheffiziente Solarzelle generiert dabei zu allen Tages- und Jahreszeiten Strom. So liegt der Wirkungsgrad auf der Vorderseite bei 99% und auf der Rückseite bei 85%.

Neben anderen sind insbesondere die Früchte wie Kartoffeln, verschiedene Arten von Rüben, Karotten, Leguminosen und Sonderkulturen und niedrig wachsende Getreide. Mit Mais habe er, zur allgemeinen Erheiterung, allerdings so seine Probleme. Die durch Next2Sun gewonnene Doppelnutzung der Fläche generiere, so Sascha Krause-Tünker weiter, ein zusätzliches Einkommen von Pachterträgen je nach Belegung bis zu 1.000 € p. a. Und dies bei einer weiter möglichen Bewirtschaftung von ca. 90% der Fläche.

Darüber hinaus habe sein Unternehmen auch, aus der Grundidee, einen Solarzaun entwickelt, der zur Einfriedung von Freiflächen etwa bei der Hühnerhaltung dienen könne. Ankum Bürgermeister Brummer-Bange regte an, diesen Solarzaun auch gleichzeitig zum Wolfsschutz weiterzuentwickeln.

Bestehende Biogasanlagen – ganz neue Dimensionen

Robert Wasser, Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmens Energethik Ingenieurgesellschaft mbH, Osnabrück, hielt in Ankum einen sehr Orientierungsgebenden Vortrag, in dem er einen Bogen spannte von der Wichtigkeit der Bioenergie über neue Anlagentypen, die bestehende Biogasanlagen in ganz neue Dimensionen bringen könnten bis hin zu seiner Sicht auf die sogenannte disruptive Technologieentwicklung.

Disruptive Technologien sind Innovationen, die die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie, eines bestehenden Produkts oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen und die Investitionen der bisher beherrschenden Marktteilnehmer obsolet machen.  Robert verwies hier als Beispiel auf die Entwicklung auf dem Smartphone Markt. „Vom ehemaligen Marktführer Nokia hat das I Phone, nach einem Technologiesprung, nicht viel übriggelassen. Auch in der Umwelttechnik setze er auf positive und springhafte Entwicklungen und sei deshalb optimistischen als Viele. Bioenergie kann sowohl Strom, Wärme als auch Kraftstoffe zur Verfügung stellen. Dieses Multitalent liefert daher den mit Abstand größten Anteil zum Angebot Erneuerbarer Energien in Deutschland in den letzten Jahren.

Robert Wasser erläutere im Weiteren die Bedeutung eines neuen erweiterter Ansatzes mit regenerativem Speicherkraftwerk. Den er im nachfolgenden U-Tube Beitrag erläutert:

https://youtu.be/-9u3WRrRPiU

Das deutsche Genehmigungsrecht und der Klimawandel

Die Schwierigkeiten, die das deutsche Genehmigungsrecht im Kampf gegen den Klimawandel verursacht zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. So auch im Beitrag von Christian Engelken von der Osnabrücker Prowind. Die Haupthindernisse beim Ausbau der Windenergie seien, so Engelken, restriktive Abstandsvorgaben, überkomplexe und überlange Genehmigungsverfahren, überholte Vorgabe zum Schutz insbesondere spezieller Vogelarten und natürlich Klagen von Windenergiegegnern mit dem Hintergrund eines vermeintlichen Natur- und Artenschutzes.  Hier müsste die Politik dringend nacharbeiten, denn ohne einen zeitnahen Ausbau der Windenergie seine die Klimaziele nicht zu erreichen.

Darüber hinaus ginge den leidgeprüften Landwirten eine zusätzliche Einnahmequelle verloren. Nutzungsentgelte und die Möglichkeit, als Flächengeber Mitbesitzer des Windparks zu werden, unterstützen den Erhalt einer bäuerlichen Landwirtschaft und gewachsener ländlicher Strukturen. Auch dürfe man nicht vergessen, dass die Windenergie einen wichtigen strukturellen Effekt habe. Nicht mehr große Konzerne, sondern kleine Betreibergesellschaften stünden hier für die Stromproduktion. Die Energieerzeugung wird demokratisiert und liegt in den Händen ganz normaler Bürger oder der Gemeinden und gäbe damit zusätzliche Handlung Spielräume frei.

Solarstrom für Landwirtschaft und Kommunen

Annika Bar von der EMT² GmbH im emsländischen Lünne stellte ihr Unternehmen zum Ende der Veranstaltung als lokaler Partner bei der Umsetzung von Projekten im Bereich der Erneuerbaren vor.  Die EMT2, mit ihren 32 Mitarbeitern, kümmert sich um Elektrotechnik für Gebäude und bietet die Installation von Photovoltaikanlagen, den Schaltschrankbau, moderne Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und Blockheizkraftwerke an. Die Bandbreite des Unternehmens geht von der Beratung, über die Projektierung bis hin zum Service für die installierte Technik.

Auf der Ankumer Veranstaltung wurde anschließend auch über direkte landwirtschaftliche Fragen gesprochen. So beispielsweise über den steigenden Bedarf an „anderen“, sprich ursprünglicherer und regionalen Getreidesorten. Schon im Vorfeld hatten wir dazu Gespräche mit Prof. Dieter Trautz, Agra-Spezialist der Osnabrücker Hochschule und mit Heike Bringhege, von der gleichnamigen Bäckerei gesprochen. Die Diskussion war lebhaft, durchaus perspektivisch und wird Mitte Oktober in den Räumen der Bäckerei Brinkhege in Bissendorf fortgesetzt.